Laudatio Umweltminister a.D. Franz Untersteller
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Bischof, lieber Herr Dr. Fürst,
sehr geehrte Frau Schieszl-Rathgeb,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der diesjährigen Ausschreibung des Franziskuspreises,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Es ist ein knappes Jahr her, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Guterres mit dramati-schen Worten im ägyptischen Scharm el Scheich die seinerzeitige Weltklimakonferenz (COP 27) eröffnete.
„Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle und haben den Fuß auf dem Gaspedal.“
Am Ende des Rekordsommers 2023 zeigt sich weltweit, was Guterres damit meinte. Es zeigt sich aber auch, dass wir vielfach noch immer die Augen vor der Dramatik der Situation verschließen.
Dies vielleicht auch, weil wir gerade in einer Welt leben, die mannigfaltig mit aktuellen Krisen konfrontiert ist. Kaum war die globale Krise der Corona Pandemie, die zig-Tausende Menschen das Leben gekostet hat, halbwegs bewältigt, wurden wir vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den damit einherge-henden ökonomischen Verwerfungen überrascht.
Als wäre das nicht schon genug sehen wir uns seit gut einer Woche als Folge der terroristischen Barbarei der Hamas gegen Israel mit einem weiteren schrecklichen Krieg konfrontiert, der sich im schlimmsten Fall zu einem Flächenbrand im Nahen Osten auswachsen kann.
Auch wenn uns das alles sehr fordert und Kraft kostet, dürfen wir – nicht zuletzt unserer Kinder und Kindeskinder willen - vor dem, was die Menschheit im Zuge des Klimawandels global fordert, nicht die Augen verschließen.
- Laut dem EU-Klimadienstes „Copernicus“ waren der Juni, Juli und August dieses Jahres weltweit die hei-ßesten zusammenhängenden drei Monate seit Be-ginn der Messungen im Jahr 1949;
- In Mexiko – familiär bedingt kenne ich das Land ein wenig – wurden in diesem Jahr vereinzelt Temperaturen von bis zu 56° C gemessen; in Teilen Europas - ich nenne den Süden Spaniens - waren es mehr als 45° C;
- In Kanada sind in diesem Jahr Waldflächen abgebrannt, die in etwa der Größe von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen zusammen entsprechen;
- Oder anders ausgedrückt, es ist in diesem Teil Nordamerikas mehr Wald abgebrannt als der gesamte Baumbestand in Deutschland ausmacht;
- Und es ist gerade erst wenige Wochen her, dass das Sturmtief „Daniel“ in Teilen Griechenlands ver-heerende Unwetter mit sich brachte, in deren Ver-lauf innerhalb von 3 Tagen doppelt so viel Regen gefallen ist, wie in Berlin das ganze Jahr;
- Und noch ein letztes Beispiel möchte ich nennen, über das der SPIEGEL am 26.9. berichtet hat, nämlich der Kampf um’s Wasser, bei dem rund 200 Kommunen im Süden Frankreichs in diesem Sommer als Folge dramatisch zurückgehender Grundwasservorkommen und versiegender Quellen mit Tankwagen versorgt werden mussten und viele landwirtschaftliche Betriebe und Weinbauern vor dem Aus stehen.
Meine Damen und Herrn,
trockene Sommer, Unwetter, Hochwasser und andere Naturereignisse gab’s schon immer. Die Intensität und Häufigkeit nimmt aber dramatisch zu und ist nach über-einstimmender Aussage aus der Wissenschaft ohne den voranschreitenden Klimawandel nicht zu erklären.
Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Nach seiner im Vorfeld der damaligen Weltklimakonferenz in Paris im Jahr 2015 veröffentlichten - und seinerzeit viel beachteten - Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato Si“, hat Papst Franziskus am 4. Oktober – dem Gedenktag an Franz v. Assisi – ein daran anknüpfendes neues Schreiben veröffentlicht. In diesem 12-seitigen apostolischen Mahnschreiben mit dem Titel „Laudate Deum“ schreibt der Papst:
„Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leug-nen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativen, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor.“
Im Vorfeld der zwischen dem 30.11. und 12.12. in den VAR stattfindenden Weltklimakonferenz fordert Papst Franziskus darin, dass:
„die COP 28 zu einer deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen führt."
Das Schreiben ist zum einen ein starkes Signal für die Schöpfungsverantwortung und zugleich aber auch ein eindringlicher Appell, dass wir entschiedener vom Reden zum Tun gelangen müssen.
Meine Damen und Herren,
Vor ziemlich genau 15 Jahren war dieser Aspekt – stärker vom Reden zum Tun zu kommen – für Sie lieber Herr Dr. Fürst als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart wohl mit ein Grund den Franziskuspreis als Bestandteil der Klimainitiative der Diözese ins Leben zu rufen. Ziel des Preises war und ist es zum einen, das Be-wusstsein für die Bewahrung der Schöpfung zu fördern, und zum anderen aber auch vorbildliche Projekte und Aktivitäten im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auszuzeichnen und – gewissermaßen als Vorbild für andere – auch öffentlich bekannt zu machen.
Wir haben es bereits gehört, dass der Preis in diesem Jahr von Bischof Fürst zum siebten Mal verliehen wird. Für Sie lieber Herr Dr. Fürst ist es die letzte Verleihung, da Sie ja – auf eigenen Wunsch - anlässlich Ihres 75. Geburtstags Anfang Dezember aus dem Bischofsamt ausscheiden – außer der Papst nimmt ihr Gesuch nicht an - wovon wir jetzt mal nicht ausgehen!
Persönlich hoffe ich sehr, dass Ihr Nachfolger den von Ihnen 2008 begründeten Franziskuspreis auch in Zukunft weiterführt. Nicht zuletzt die vielen Bewerbungen in diesem Jahr zeigen mir, dass es innerhalb der Kirchengemeinden, aber auch der diversen kirchlichen Einrichtungen, ein großes Interesse an dem Preis gibt. Und dass es auch in Zukunft mehr denn je Vorbilder und kreative Ideengeber beim Umwelt- und Klimaschutz innerhalb der Kirche geben sollte, ist denke ich unbestritten.
Insgesamt 5-mal – in diesem Jahr als Vertretung meiner im Frühjahr verhinderten Amtsnachfolgerin - durfte ich seit 2012 als Vorsitzender der Jury fungieren, die dem Bischof jeweils Vorschläge für die Verleihung des Franziskuspreises vorgelegt hat.
An dieser Stelle möchte ich mich aber bei meinen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich für ihre intensive Mitwirkung an der Juryarbeit bedanken. Es waren dies:
- Frau Prof. Dr. Susan Draeger;
- Herr Prof. Dr. Günther Sabow;
- Herr Diözesanrat Dr. Warmbrunn;
36 Bewerbungen – eine Rekordzahl – sind in diesem Jahr eingegangen. Dank der hervorragenden Aufbereitung und Präsentation dieser Bewerbungen durch Frau Anna Blaschke – Ihnen gebührt ein besonderes Dankeschön für diese zeitintensive und zugleich hervorragende Vorarbeit – konnten wir uns in der Jury auf die Diskussion und Bewertung der vorgelegten Bewer-bungen konzentrieren – wovon wir auch wirklich intensiv Gebrauch gemacht haben.
Erwähnen möchte ich noch, dass als Vertreterin der Diözese Frau Ordinariatsrätin Schieszl-Rathgeb und Stefan Schneider beratend zur Seite standen. Auch Ihnen herzlichen Dank für die Unterstützung.
Nun aber zu den Preisträgerinnen und Preisträgern:
Lassen Sie uns mit dem 4. Preis beginnen:
Den vierten Preis mit einem Preisgeld von zusammen 1.000 Euro erhalten gemeinsam das:
Institut für Soziale Berufe Ravensburg mit dem Kindergarten St. Johannes, Amtzell
und die
Kindertagesstätte beim Klinikum Friedrichshafen für das Projekt „Philosophieren mit Kindern über das Thema Nachhaltigkeit“
Das Institut für Soziale Berufe Ravensburg, eine Ausbildungsstätte für soziale Berufe, u.a. Erzieher:innen, und der Kindergarten St. Johannes Amtzell haben ein Konzept im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (bne) entwickelt, mit Kindern in Kindergärten und Kitas über das Thema Nachhaltigkeit zu „philosophieren“.
Darunter wird das nicht bewertende Gespräch von und mit Kindern zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen verstanden. Alle Gedanken, Ideen und Fragen der Kinder dürfen geäußert werden, nichts ist von vornherein „falsch“. So werden die Kinder motiviert, sich für die Schöpfung, die „Mit-Welt“ mit ganz konkreten Projekten und Maßnahmen zu engagieren, z.B. Müll zu sammeln.
Bereits begonnen mit der Umsetzung dieses Konzepts hat die Kindertagesstätte beim Klinikum Friedrichs-hafen, die die Bildung für nachhaltige Entwicklung in ih-rem Leitbild festgeschrieben hat.
Die Kinder tauschen sich mit kindgerechten Methoden über Nachhaltigkeitsthemen aus und nehmen die natur-pädagogischen Angebote der Kita wahr, z.B. Bauern-hofausflüge, Wildbienenprojekte, ein Hochbeet mit Obst und Gemüse bepflanzen, und anderes mehr.
Mit dieser Preisvergabe möchte die Jury ihre Wertschät-zung für dieses umweltpädagogische Projekt ausdrücken, da es der Bewusstseinsbildung bei Kindern und Erzieher:innen dient und bis zu den Eltern der Kita-Kinder ausstrahlt.
Zum Projekt „Philosophieren mit Kindern über das Thema Nachhaltigkeit“ wurden zwei Bewerbungen eingereicht. Die Jury – das möchte ich an der Stelle auch sagen - hätte es begrüßt, wenn die Bewerber sich zusammengetan und sich bei der Einreichung auf einen gemeinsamen Antrag verständigt hätten.
Wir haben uns deshalb - man könnte auch sagen salomonisch - dafür entschieden, den Preis für den 4. Platz beiden Bewerbungen gemeinsam zukommen zu lassen.
Das heißt, dass wie beide Bewerbungen mit dem Preis für den 4. Platz ehren - allerdings mit der Maßgabe, dass die Bewerber das Preisgeld von 1.000,- Euro untereinander aufteilen. Es erhält jeder der beiden Bewerber ein Preisgeld von 500,- Euro.
Herzlichen Glückwunsch an die Preisträgerinnen und Preisträger.
Damit zum 3. Platz:
Den dritten Preis mit einem Preisgeld von 1.000 Euro erhält die
Katholische Kirchengemeinde St. Karl Borromäus, Freundeskreis Indien Winnenden, für das Projekt
„Bau einer Solaranlage auf dem Dach der SKBS-Schule in Kashinagar (Indien)“
Die Kirchengemeinde St. Karl Borromäus aus Winnen-den unterstützt seit vielen Jahren eine kirchliche Schule, die „St. Karl Borromäus School“ im indischen Bundesstaat Orissa. Dank der finanziellen Unterstützung aus Winnenden konnte diese Schule in mehreren Etappen ausgebaut werden. Das Ziel dieser Unterstützung ist es, armen Kindern aus der indigenen Bevölkerung und der sog. „Kaste der Unberührbaren“ eine Schulbildung zugänglich zu machen und zu finanzieren.
Die Winnender Kirchengemeinde St. Karl Borromäus hat nun ein Photovoltaikanlage für diese Schule zur Hälfte bezahlt. Die andere Hälfte finanzierte die Hauptabteilung Weltkirche der Diözese. Da die Anlage mit einem Batteriespeicher ausgestattet ist, kann sie den Strombedarf der Schule und des angeschlossenen Wohnheims vollständig und zuverlässig decken. Da Strom in Indien bisher noch hauptsächlich in Kohlekraftwerken produziert wird, trägt das Projekt zu einer relevanten CO2-Einsparung bei.
Wir haben auch die Hoffnung, dass das Projekt eine große Ausstrahlungskraft vor Ort entwickelt und andere Schulen und Einrichtungen zur Nachahmung anregt. Als Jury möchten wir dieses Projekt würdigen, weil es beispielgebend dafür steht den vom Klimawandel haupt-sächlich betroffenen Menschen im globalen Süden eine Perspektive für eine klimafreundliche Energieversorgung zu bieten.
Herzlichen Glückwunsch an die Preisträgerinnen und Preisträger
2. Platz:
Den zweiten Preis mit einem Preisgeld von 2.000 Euro erhält die
Katholische Fachschule St. Martin Neckarsulm für das Projekt "Streuobstwiese, Schulimkerei, Insektenhotels und Blumensamen für alle",
Die Katholische Fachschule für Sozialpädagogik St. Martin in Neckarsulm bildet angehende Erzieher:innen aus. Mit den drei Projektteilen, der Pflege der Streuobstwiese, der Schulimkerei und der Errichtung von Insektenhotels wird das Bewusstsein für die Bewahrung der Schöpfung bei den Schüler:innen geweckt. Die prakti-schen Tätigkeiten werden von Schüler:innen und Lehrkräften gemeinsam durchgeführt.
Es werden praktische Lernfelder zum Klimaschutz, für Nachhaltigkeit und für ein koordiniertes und vernetztes Vorgehen mit den Akteuren in der Kommune vor Ort eröffnet.
Die vorbildliche Zusammenarbeit mit Schulen, Gruppen und Organisationen, aber auch der Kommune Neckarsulm, zeichnet das Projekt aus. So sind beispielsweise auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Flucht- und Migrationshintergrund in die Vorhaben einbezogen.
Besonders beeindruckte die Jury, dass dieses umweltpädagogische Projekt die Bewusstseinsbildung bei den angehenden Erzieher:innen in den Vordergrund stellt. Es werden Maßnahmen realisiert, die die Erzieher:innen an ihren späteren Arbeitsstellen in den Kindergärten auch durchführen können. Sie werden damit zur Nachahmung angeregt, ein Schneeballeffekt wird in Gang gesetzt.
Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner
1. Preis des Franziskuspreises 2023
Den ersten Preis mit einem Preisgeld von 6.000 Euro erhält in diesem Jahr das:
„Freiwilligenzentrum Caleidoskop“ im Caritasver-band für Stuttgart e.V. für das Projekt: „Caleidoskop – bunt nur grüner und HEY ALTER! Stuttgart – Alte Rechner für junge Leute“
Die Initiative „Bunt nur Grüner“ subsummiert Kleinprojekte mit ökologischem und sozialem Fokus innerhalb der Stuttgarter Stadtgesellschaft. Sie orientiert sich dabei an den 16 Sustainable Development Goals (SDG’s), den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.
Es wurden Projekte zu den Themenbereichen Ernährung und Biodiversität realisiert, z.B. der Bau von Hoch-beeten in Kooperation mit Kirchengemeinden und Firmen, die Information über Klimagerechtigkeit und Klimaflüchtlinge und eine Börse zum Tausch gebrauchter Kleidung.
Eine besonders bemerkenswerte Initiative ist das Projekt „HEY ALTER! Stuttgart – Alte Rechner für junge Leute“. Alte, aber noch funktionsfähige Laptops werden aufgear-beitet und bedürftigen Familien und Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Angestoßen wurde diese Initiative durch die Corona-Pandemie und durch die nun stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Sie ermöglicht armen Familien und deren Kindern die soziale Teilhabe mit digitalen Endgeräten und verhindert, dass die Familien mit ihren Kindern sozial abgehängt werden.
Des Weiteren wird mit dem Projekt ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität in unserer Gesellschaft gesetzt.
Das Projekt hat damit einen hohen sozialen, ökologischen und ökonomischen Nutzen, der, gerade in dieser Verbindung, die Jury überzeugt hat.
Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner des 1. Preises
Meine Damen und Herren,
von Franziskus werden gerne die folgenden Worte zitiert:
„Tu zuerst das Notwendige, dann das Mögliche und plötzlich schaffst Du das Unmögliche“
Wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Welt hinterlassen möchten, dann gilt es gemeinsam alle Kräfte zu bündeln um beispielsweise beim Schutz des Klimas aber auch im Hinblick auf die Erhaltung der Artenvielfalt nicht nur das Mögliche und Notwendige, sondern – wenn wir z. B. erneut, wie seinerzeit bei der Weltklimakonferenz in Paris 2015 an einem Strang ziehen – dann auch das Unmögliche zu schaffen.
In diesem Sinne bedanke ich mich abschließend nochmals bei allen Teilnehmenden des diesjährigen Franziskuspreises.